Bildmarmor

Gemalte Marmorstrukturen treten bereits in pompejanischen Privathäusern auf, der eigentliche Stuckmarmor wird aber erst um 1600 etwa zeitgleich in Süddeutschland und Italien erfunden. Diese Methode imitiert den Marmor nicht mehr nur an der Oberfläche, sondern durch und durch. Dabei werden mit Knochenleim angesetzte, verschieden eingefärbte Gipsteige miteinander verknetet und danach in Scheiben geschnitten, zusammengefügt und nach dem Aushärten geschliffen. Natürlich blieb es nicht lange bei der blossen Nachahmung von bestehendem Marmor aus Kostengründen, sondern es wurden fantastische, nie zuvor existierende Marmorsorten kreiert, die bald wertvoller wurden als der Echte.

In diesem Spannungsfeld von Imitation und freier Erfindung bewegt sich auch Jeroen Geels Arbeit „Bildmarmor“. Seine Bilder sucht er aber nicht, wie der Maler, durch das Anbringen von Farbe auf einem Bildträger, denn die Bildplatten sind pure Farbe, die Farbe trägt sich selbst. Seine Bildersuche gleicht eher der Arbeit eines Bäckers beim Fertigen eines Brotes. Wird der Teig am Schluss aufgeschnitten offenbart sich, ob der Herstellungsprozess erfolgreich war. Hierbei entsteht viel Unvorhergesehenes. Darauf reagiere der Künstler, indem er Formen und Linien aus dem Material kerbt und wieder mit Farbe füllt. Dabei lässt er sich von Materialassoziationen und räumlichen Ideen leiten.
Oft ist er nach dem Aufschneiden einer neuen Platte so enttäuscht, dass er sie in eine Ecke stellt. Um plötzlich nach zwei Wochen festzustellen: „Die Platte ist gar nicht schlecht. Sie hat nur nicht meinen Erwartungen entsprochen.“ Der Künstler nimmt die Platte mit neuen Augen wahr, lässt sich auf sie ein und beginnt wieder zu arbeiten.

Die Ent-Täuschung, welcher er sich aussetzt, wird gleichzeitig zu einem Kernelement seines Schaffens, sie wird zur Offenbarung. Das manifestiert sich auch in Jeroen Geels Bildplatten. Der Betrachter ist irritiert – feine, schnurgerade Linien durchsetzten den vermeintlichen Marmor und entlarven die Täuschung. Wer genau hinschaut, findet in einigen Platten Wiederholungen derselben, vermeintlich natürlich entstandener Formen. Linien und Formen wurden vom Künstler herausgeschnitten und wieder mit Material gefüllt.
Die Irritation und Täuschung, beziehungsweise Ent-Täuschung findet sich auch in den Marmor-Objekten. Ein Marmorkubus, in dem das Marmormuster plötzlich aufhört. Marmorflecken, die wie Kontinente in einem weiten Meer aus weissem Material liegen, entlarven eindeutig konstruktive Elemente. Die Auseinandersetzung mit Materialwahrnehmung, Haptik, Oberfläche und Pigmenten zieht sich wie ein rotes Band durch die Arbeiten von Jeroen Geel. In der Reibung mit schwierigen Techniken und komplexen Materialien müssen seine Ideen neue Wege finden, sich zu manifestieren. Sein Antrieb ist steter Erkenntnisgewinn.

Sara Leuthold