Saaltext «Alchemus II» - Jeroen Geel und Samo Stancer

«Eine Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen», das ist nach Sennett ein dauerhaftes menschliches Bestreben. Die Grundlage dafür ist ein Materialbewusstsein, das den Handwerker der Vormoderne auszeichnet. Sennett dehnt den Begriff des Handwerkers aus, indem er Schreiner, Schlosser oder Schmiede ebenso als Handwerker würdigt wie Dirigenten, Programmierer oder Ingenieure. Ich meine, dass die Werke der beiden Künstler Samo Stancer und Jeroen Geel ebenfalls einen Bogen schlagen zum Handwerk der Vormoderne: sie zeugen von geduldiger Präzision, von Achtsamkeit, Gefühl und intensiver Auseinandersetzung mit dem Material und der Technik.

Samo Stancers Bilder wirken aus der Tiefe. Ihre Oberfläche gleicht einem Lasursediment, das Schicht für Schicht gelegt wurde. Seine Auseinandersetzung mit den Farben ist dabei tief beeindruckend. Von allen Farbpigmenten, mit welchen Stancer die Farben für seine Bilder mischt, hat er wie ein Alchemist Kristalle hergestellt. Diese Kristalle hat er auf seine Pigmentgefässe gesetzt. So erhalten seine Farben eine Form, ja ein je individueller Charakter. Dieser kristallisiert sich im wörtlichen Sinne in der Farbe. Nach Samo Stancers Auffassung ist die Farbenlehre unvollständig und seine Bilder geben eine sinnliche Ausführung dieser Ansicht. Denn Farben, so macht sein Werk eindrücklich erfahrbar, sind mehr als eine wissenschaftliche Aufschlüsselung ausdrücken kann. Der Glanz der Farben, der aus der Tiefe kommt, ihre sinnliche Wirkungskraft im Betrachter, das bringen Stancers Arbeiten zum Ausdruck.

Auch Jeroen Geels vielseitiges Werk zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit seinem Gegenstand und Material. Die hier ausgestellten Arbeiten befassen sich mit dem Stuckmarmor, einer Technik, die Ende des 16. Jh. entwickelt wurde und in den Werken Geels eine zeitgenössische Gestalt erhält. Zur Herstellung des Stuckmarmors braucht es zähe Geduld und handwerkliches Geschick: Aus Gips, Leim und Farbpigmenten werden verschieden farbige Teige hergestellt. Mit der Anordnung und Vermengung derselben wird die Textur der späteren Erscheinung geschaffen. Ist der Teig ausgehärtet, wird der Stuckmarmor durch Schleifen, Spachteln und Polieren bis zum Oberflächenglanz verdichtet. Am Ende wird eine Veredlungsschicht aufgetragen um den Glanzgrad zu erhöhen. Die Herstellung dieser marmorartigen Oberflächenstruktur war schon in der Barockzeit teuer und entsprechend oft wertvoller als echter Marmor. Heute ist der Stuckmarmor wegen seiner aufwändigen Technik unbezahlbar und wird nur noch zur Renovation verwendet. Jeroen Geel hat sich mit dieser heute fast vergessenen Technik auseinandergesetzt. Er experimentierte mit der Mischung der verschiedenen Materialien und dem Arbeitsprozess. Dadurch schafft er mit einer alten Technik zeitgenössische Werke. So entstanden keine Marmorpaläste sondern Arbeiten, die mit unserem heutigen Leben verbunden sind. Sie gleichen hier einem Schinken und erinnern dort an Linoleum.

Beiden Künstlern ist gemein, dass sie sich nicht vor einer langen und intensiven Auseinandersetzung mit dem Handwerk scheuen. Damit sind sie vielleicht Pioniere für ein neues Verständnis des Handwerkes und auch seiner Rolle in der Kunst. Denn Handwerk und Kunst, so zeigen diese beiden Künstler auf je ganz eigene und eindrückliche Weise, sind eng miteinander verknüpft. So hängt die «qualitativ hochwertige Arbeit der Hand- werker letztlich von der Neugier auf das bearbeitete Material» ab (Sennett). Eben diese Neugier, die Faszination die von der Eigenart ihrer Materialien ausgeht und die Lust an der Auseinandersetzung mit ihnen, charakterisiert auch die Arbeit von Samo Stancer und Jeroen Geel.

Text: Nele Dechmann, 2013