Aal

Bildbesprechung von Céline Gaillard anlässlich der Ausstellung
„Jeroen Geel / Christian Duss: Alchemus“
09.10. - 06.11.2010

Jeroen Geel malt Stillleben. Diese Gattung der Malerei aus dem Barock beschäftigt sich mit der Darstellung von Arrangements meist kleinerer, lebloser Gegenstände, die ihrer selbst willen ins Zentrum gerückt werden. Nach Studien wird die Natur präzise nachgeahmt, angestrebt wurden gar täuschend echte Gemälde, sogenannte Trompe-l’oeils. Das Genre fand in Holland und in Flandern seine reichste Ausprägung. Ein Gedanke, der mittels der Stillleben vermittelt werden sollte, war jener der Vanitas, der Vergänglichkeit oder auch des Memento mori. Die bildliche französische Übersetzung bringt dies auf den Punkt: nature morte. Mit einzelnen Kompositionsteilen wie Weintrauben oder Lilien ­­– Symbole für Christus und Maria – konnte den Stillleben zusätzliche symbolische Aufladung verliehen werden. Immer aber standen die ästhetische Komposition und die naturalistische Darstellungsweise im Vordergrund. Zu diesen Naturstudien und zur getreuen Wiedergabe gehört also eine präzise und aufmerksame Beobachtungsgabe.
Neben den beliebten Wild-, Markt-, Küchen-, Frühstücks-, Waffen- und Musikinstrumente-Stillleben wurden auch Fische häufig als Motiv gewählt.

Jeroen Geels Aal, 2010 ist unverkennbar ebenfalls ein Stillleben. Der morbide Körper eines Aals wurde auf einer Holztafel ausgelegt und in einer geschwungenen Form arrangiert, wobei der Künstler die Haut des Fisches stellenweise abtrennte und aufklappte. So werden die verschiedenen Schichten unter der Haut sichtbar. Auch in der unten links abgebrochenen Holztafel werden die Schichten des Materials augenfällig. Das Schwarz der Tafel kontrastiert mit dem roten Hintergrund, das Gemälde ist farblich stark aufgeladen. Das in die Tafel gesteckte Messer bekräftigt die Motivik der nature morte. Für Jeroen Geel steht aber nicht die Thematisierung von Vergänglichkeit, Tod und Verwesung im Vordergrund. Er nutzt das Genre des Stilllebens um in seiner Malerei zu experimentieren: Die Forderung nach naturgetreu abgebildeten organischen Elementen, deren realistische Darstellung das Niveau von Wissenschaftsillustrationen erreichen, eignet sich für ihn als Erkundung der Malerei. Die gewünschte Präzision aber auch die Faszination für die Schönheit unter der Haut des Aals verleiten ihn zum Ausprobieren von Farbe, Techniken, Komposition und Perspektiven. Wohingegen das Stillleben im Barock eine einheitliche Sprache, Farbanwendung und Handhabung aufwies, erfährt es bei Jeroen Geel eine Abwandlung durch das Experimentieren mit Farbtönen, Kompositionsformen, diversen Techniken und durch den Einbezug eigentlich einander ausschliessender Perspektiven. So wie der Körper des Aals unter der Haut mehrere Schichten aufweist, deren Schönheit der Maler entdeckt, strebt Jeroen Geel danach, die Überlagerung von Farben auszuschöpfen.
Der in Zürich geborene Künstler nutzt bewusst das Erbe der Malereitraditionen, indem er sich der Stoffllichkeit des barocken Illusionismus bedient und gleichzeitig mit der Kombination von Seitenansicht und Aufsicht diesem Illusionismus eines zentralperspektivischen Raumes, ähnlich den Bildern des ausgehenden Mittelalters, entgegenwirkt. Als Ergebnis erbringt er eine zeitgenössische Form des Genres, das ihm zum ganz eigenen Stil wird.

In der Ausstellung werden der tote Aal und die farbliche Aufladung des Kontrastes von schwarzem Holz auf rotem Grund um das Element der Schlachtbank erweitert: Die skulpturale Schlachtbank von Christian Duss (dort liegt ebenfalls ein Messer zur offensichtlichen Anschauung der brutalen Thematik auf dem Holz) steht in enger Interaktion mit dem Aal; Dieses Phänomen der wechselseitigen Bezugsnahme zieht sich durch die gesamte Ausstellung. Der rohe Vorgang der Umwandlung eines Fisches in Nahrung resultiert so nicht nur in einem Bild, sondern dient ganz der Alchemie entsprechend auch dem Erkenntnisgewinn des Malers und, so erhoffen wir uns, derjenigen des Betrachters.